Ehefähigkeit
Allgemeines
Ehefähigkeit ist die Möglichkeit, miteinander die Ehe zu schließen (§ 1304 BGB). Hierfür muss Geschäftsfähigkeit gegeben sein. Die Beurteilung der Ehegeschäftsfähigkeit soll allerdings nach Entscheidungen vieler Gerichte einschl. des Bundesverfassungsgerichtes wegen des grundgesetzlich verbürgten Eherechtes (Art. 6 GG unter großzügigeren Kategorien gemessen werden als die Prüfung der Geschäftsfähigkeit allgemein (BVerfGE 31, 58/68 = FamRZ 1971, 414 und BVerfGE 36, 146/161 = StAZ 1973, 90/93 = FamRZ 1974, 122 sowie BVerfG, Beschluss 1 BvL 14/02 vom 18.12.2002 zur Ehefähigkeit, FamRZ 2003, 359 = NJW 2003, 1382 = NVwZ 2003, 862).
Bei der Ehegeschäftsfähigkeit handelt es sich wie bei der Testierfähigkeit um einen Unterfall der Geschäftsfähigkeit, nach der es darauf ankommt, ob der oder die Verlobte in der Lage ist, das Wesen der Ehe zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen, ohne dass die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend sein müssen. Selbst eine erhebliche geistige Behinderung muss nicht die notwendige Einsichtsfähigkeit in das Wesen der Ehe und die freie Willensentscheidung zur Eheschließung ausschließen.
Rechtsprechung
Das Bayerische Oberste Landgericht hat dazu ausgeführt, bei der Eheschließung handele es sich um ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt wesentlich mehr als sonstige typische Rechtsgeschäfte von in der Gesellschaft fest verankerten Vorstellungen geprägt werde. Es sei daher im Einzelfall zu prüfen, ob sich die Beeinträchtigung der Geistestätigkeit auch auf die Ehe erstrecke und ob der Verlobte insoweit die notwendige Einsichtsfähigkeit besitze und zur freien Willensentscheidung in der Lage sei, möge diese Einsichtsfähigkeit auch für andere Rechtsgeschäfte fehlen (BayObLGZ 1996, Nr. 24 = BtPrax 1997, 111 = FamRZ 1997, 294 = NJWE-FER 1997, 1 = StAZ 1996, 229 = FGPrax 1996, 143). Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass sich die Geschäftsfähigkeit auf einen bestimmten, gegenständlich abgegrenzten Kreis von Angelegenheiten beschränken kann (sog. partielle Geschäftsfähigkeit). Dem komme gerade bei der Beurteilung der Ehegeschäftsfähigkeit Bedeutung zu, weil hier nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend seien, sondern die Einsicht in das Wesen der Ehe und die Freiheit des Willensentschlusses zur Eingehung einer Ehe.
Kein Einwilligungsvorbehalt für Eheschließung
Ein Einwilligungsvorbehalt des Betreuers kann sich ausdrücklich nicht auf die Eingehung einer Ehe (oder Lebenspartnerschaft) beziehen (§ 1903 Abs. 2 BGB). Somit ist seit Inkrafttreten des Betreuungsrechtes am 1. Januar 1992 (außer im Fall der Minderjährigkeit eines Verlobten, vgl. (§ 1303 BGB) in keinem Fall mehr eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines Heiratswilligen mehr nötig. Im früheren Recht (vor 1992) war bei einer Entmündigung wegen Geistesschwäche, Trunk- oder Rauschgiftsucht sowie Verschwendung die Eheschließung nur mit Genehmigung des Vormundes zulässig. Dies wurde als beschränkte Ehemündigkeit bezeichnet
Prüfung durch das Standesamt
Der Standesbeamte hat die Pflicht, von Amts wegen vor der Eheschließung die Ehegeschäftsfähigkeit zu prüfen (§ 5 Personenstandsgesetz). Er muss seine Mitwirkung an der Eheschließung unterlassen, wenn die Eheschließung offenkundig nach (§ 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Lehnt der Standesbeamte die Vornahme der Eheschließung ab, ist hiergegen gerichtliche Entscheidung gegeben. Auch der Standesbeamte selbst kann das Gericht anrufen (§ 49 Personenstandsgesetz). Zuständiges Personenstandsgericht ist das Amtsgericht am Sitz des Landgerichtes. Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Sitz des Standesbeamten bestimmt, der die angefochtene Verfügung erlassen oder die Sache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Das Gericht kann den Standesbeamten anweisen, die Eheschließung zu beurkunden.
Aufhebbarkeit der Eheschließung
Eine unter Verletzung des (§ 1304 BGB geschlossene Ehe kann durch Entscheidung des Familiengerichtes aufgehoben werden. Auch ein während der Eheschließung vorhandener Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit rechtfertigt die Eheaufhebung (§ 1314 Abs. 1 und 2 Nr. 1). Die Aufhebbarkeit einer Eheschließung unterscheidet sich von der früheren Rechtsfolge der Ehenichtigkeit, die bis 30.06.1998 nach § 18 Ehegesetz bei Geschäftsunfähigkeit eines Eheschließenden eintrat.
Den Antrag auf Eheaufhebung kann nach (§ 1317 BGB binnen eines Jahres nach Bekannt werden der die Aufhebung rechtfertigenden Umstände beim Familiengericht gestellt werden. Eine Eheaufhebung kann nicht stattfinden, wenn der Ehegatte nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit, der Bewusstlosigkeit oder der vorübergehenden Geistesstörung zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will.
Aufhebungsantrag durch Betreuer
Der Antrag kann für einen geschäftsunfähigen Ehegatten nur von seinem Betreuer als gesetzlichen Vertreter gestellt werden (§ 1316 Abs. 2 BGB). Dieser benötigt dazu einen geeigneten Aufgabenkreis (z.B. Vertretung vor dem Familiengericht). Der Betreueraufgabenkreis Vermögenssorge reicht dazu nicht aus.
Ein geschäftsfähiger Betreuter (auch mit angeordnetem Einwilligungsvorbehalt) kann den Antrag nur selbst stellen. Bei einem Einwilligungsvorbehalt hat der Betreuer dem Antrag zuzustimmen; der Betreuer benötigt hierzu (ebenso wie für den Antrag auf Ehescheidung) die Genehmigung des Betreuungsgerichtes (§ 125 Abs. 2 FamFG).
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2011, 10 UF 217/10
Für die wirksame Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes in einem Ehescheidungsverfahren benötigt der Betreuer den Aufgabenkreis „Vertretung im Ehescheidungsverfahren“. Die Bestellung als Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung vor Behörden und Gerichten“ dient lediglich der Klarstellung der Vertretungsberechtigung des Betreuers im Rahmen eines zugleich übertragenen Aufgabenkreises und ist deshalb alleine nicht ausreichend.
Lebenspartnerschaft
Nach dem LPartG ist eine direkte Anwendung des § 1304 BGB nicht vorgesehen. Der Sinn der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft macht es aber sinnvoll, anstelle die schärferen Bedingungen der allgemeinen Geschäftsunfähigkeit auch hier die Bestimmungen über die Ehegeschäftsfähigkeit analog anzuwenden.
Strafbarkeitsgeschichte der Homosexualität bei Männern in Deutschland
Homosexualität stellt eine Form der sexuellen Orientierung beim Menschen dar, die wohl schon immer vereinzelt vorkam. Genauso verhält es sich mit der Geburt von sogenannten Hermaphroditen. Das sind Menschen mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen, auch Zwitter genannt. Die am Ehesakrament aus erbrechtlichen Gründen dogmatisch festhaltende Römisch-katholische Weltkirche stellte die praktizierte Homosexualität bei Männern als Unzucht unter strengste Strafen. Schon die „Constitutio Criminalis Carolina“ (CCC) enthielt als kaiserliches Strafgesetz seit dem Jahr 1532 einen entsprechenden Straftatbestand. Auch das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 betrachtete homosexuelle Praktiken noch als Sodomie (benannt nach der untergegangenen biblischen Stadt Sodom), mäßigte die bisherige Todesstrafe aber in Zuchthaus und Verbannung. Mit der Gründung des Deutschen Reiches entstand der berüchtigte § 175 StGB. Im neuen Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 wurde der Straftatbestand „beischlafähnliche Handlungen unter Männern“ mit Gefängnis und dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bedroht. Die Strafrechtsreform vom 01.09.1935 während der NS-Diktatur regelte die Strafbarkeit von Homosexualität unter Männern neu. § 175 a StGB verschärfte die Strafen für qualifizierte Fälle von Homosexualität bis zu einem Strafmaß von zehn Jahren Zuchthaus oder Konzentrationslager. § 175 StGB bedrohte homosexuelle Paare mit Gefängnis, wobei die Richter den von falscher Verführung betroffenen Jugendlichen unter 21 Jahren auch Straffreiheit gewähren oder Erziehungsmaßregeln verordnen konnten.
Am 10.05.1957 bestätigte das Deutsche Bundesverfassungsgericht noch in seiner Entscheidung BVerfGE 6, 389 die Verfassungsmäßigkeit dieser deutschen Strafvorschriften in Fällen von männlicher Homosexualität als Sexualstraftaten. Erst das 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 31.05.1994 hob nach der deutschen Wiedervereinigung den § 175 StGB und damit die Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen in ganz Deutschland auf!
Siehe auch
Eherecht und Betreuung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Natürlicher Wille, Sterilisation, Freier Wille, Strafprozess
Rechtsprechung
Literatur
- Böhmer: Die Prüfung der allgemeinen Ehefähigkeit unter besonderer Berücksichtigung des BtG; StAZ 1990, 213
- Bornhofen: Die Reform des Kindschaftsrechtes und die Neuordnung des Eheschließungsrechts in der standesamtlichen Praxis, StAZ 1997, 362
- Deinert: Der Betreuer im Ehe- und Lebenspartnerschaftsrecht; BtPrax 2005, 16
- Finger: Eheschließung Geschäftsunfähiger; StAZ 1996, 225;
- Hellmann: Rechtsprechungsübersicht zu ausgewählten materiell- und verfahrensrechtlichen Fragen des Betreuungsrechts; BtPrax 1997, 170
- Heptinger: Neuerungen im Eheschließungsrecht, StAZ 1996, 257
- Kern: Zum Aufgabenkreis „Scheidungsangelegenheiten“ bei der Betreuung; in: Sonnenfeld (Hrsg.): Nichtalltägliche Fragen aus dem Alltag des Betreuungsrechtes, Gieseking-Verlag Bielefeld, 2006, ISBN 3769409930
- Roth: Ehe und Betreuung; BtPrax 2007, 100 (PDF)
Infos zum Haftungsausschluss